SPD Unterbezirk

Weiden-Neustadt-Tirschenreuth

E-Mail zu den Coronamaßnahmen

Veröffentlicht am 19.11.2020 in Allgemein

Die regelmäßigen Umfragen zeigen, dass eine große Mehrheit der Bevölkerung hinter den Coronamaßnahmen steht. Bei aller berechtigter Kritik an manchen Einschränkungen und auch mit Blick auf die riesigen Probleme vor denen die Betriebe und die Menschen dahinter stehen, Deutschland ist bisher noch ganz gut durch die Pandemie gekommen. Und das auch weiterhin das medizinische Personal und die Einrichtungen dies schaffen, dafür müssen wir alle uns zurücknehmen und mit den Einschränkungen leben.

Die Querdenker und Coronaleugner sind zwar laut, aber es gibt durchaus zahlreiche Mitmenschen die in Sorge um die weitere Entwicklung sind. Eine dieser Personen hat sich mit der nachfolgenden E-Mail an mich gewandt. Auf die Nennung des Namens wurde verzichtet, zum Schutz der Person, die nicht in der Öffentlichkeit steht wie ich.

Halten wir zusammen, dann kommen wir auch durch diese nicht so tolle Zeit.

Ihre Annette Karl

Sehr geehrte Frau Karl,

ich wende mich an Sie als Abgeordnete in meiner Heimatregion Weiden. Wie Sie wissen, ist gerade unsere Region von der Corona-Pandemie relativ stark betroffen. Daher bewegt mich dieses Thema besonders.

Der Großteil der Bevölkerung verhält sich weitgehend solidarisch und befolgt zum Schutz der Mitbürger die verordneten Maßnahmen. Jedoch gibt es eine Gegenbewegung, die dagegen opponiert und massiv die Bevölkerung aufhetzt, sich nicht an die Maßnahmen zu halten. Dabei werden gezielt Unwahrheiten verwendet.

Dies ist in meinen Augen jedoch nur ein Vorwand, um die Bevölkerung gegen die demokratisch gewählte Regierung, unsere demokratische Grundordnung und die staatlichen Organe aufzubringen. Dies betrachte ich mit großer Sorge.

Seit einiger Zeit beobachte ich die Aktivitäten der sogenannten "Querdenken-Bewegung" und deren Ableger "Corona-Infotour". Bei Letzterer reisen die Herren Bodo Schiffmann, Samuel Eckert und Ralph Ludwig mit einem Nightliner-Bus quer durch die Republik und halten täglich an mehreren Orten eine Versammlung ab. Mehr als 60 Orte wurden bereits angefahren. Im Internet sind die Versammlungen im Livestream und als gespeicherte Streams zu verfolgen. Gleiches gilt auch für die "Querdenken"-Demonstrationen.

Würde es sich dabei nur um ein paar versprengte Corona-Leugner oder Verschwörungstheoretiker handeln, würde dies unsere Gesellschaft und unser Demokratie sicher verkraften. Sorge macht mir jedoch die Professionalität, mit der die Ideologie dieser Bewegung in die Breite unserer Bevölkerung getragen wird. Mit Hilfe eines eigens im Bus installierten Video-Studios werden die von den Versammlungen gemachten Aufnahmen kommentiert. Mehrere tausend Zuseher (zum Teil bis zu 80.000) verfolgen die Versammlungen im Internet. Vor Ort sind in der Regel mehrere hundert bis zu tausend Teilnehmer.

Die Dramaturgie der Versammlungen ist meist gleich: Zunächst wird den Zuhörern (die Mindestabstände meist nicht einhalten und auch kaum Mund-Nase-Bedeckungen tragen) eingeredet, es gäbe keine Pandemie, weil keine Infektionen vorlägen, sondern lediglich durch PCR-Tests Virenbruchstücke nachgewiesen würden. Begründet wird dies mit der Behauptung, Sars-CoV-2 Viren hätten sich bisher noch nie in Zellkulturen isolieren lassen, demzufolge dürfe auch nicht von einer Infektion gesprochen werden. Dies ist übrigens nachweislich falsch!

Im zweiten Schritt wird daraus abgeleitet, dass das Tragen eines Mund-Nasen-Schutz (MNS) nicht notwendig und teils schädlich sei. Ziel ist es offenbar - und das wird in einem der Streams von Herrn Eckert offen ausgesprochen - durch das massenhafte nicht Befolgen von Gesetzen, diese ad absurdum zu führen.

Und nun beginnt der eigentliche Teil der Veranstaltungen, der regelmäßig auch die meiste Redezeit beansprucht. Die Politik würde mit einer "Notstandsverordnung", manchmal auch als "Ermächtigungsgesetz" bezeichnet, die Corona-Maßnahmen durchsetzen und das Volk seiner Freiheit berauben. Vergleiche mit der Diktatur im NS-Regime werden gezogen. Die Regierung wird als "faschistisches Regime" bezeichnet. Die Zuhörer werden aufgerufen sich gegen die Maßnahmen zu wehren. Gerichte würden ausnahmslos den Anträgen der Corona-Gegner gegen die Maßnahmen Recht geben.

Der Zuhörerschaft ohne MNS wird empfohlen sich auf Ordnungswidrigkeitsanzeigen einzulassen. Wenn dann Polizeibeamte versuchen, die Hygieneauflagen der Versammlungsauflagen durchzusetzen, werden sie bei Ihrer Arbeit durch die Redner der Versammlung kritisch begleitet. Bild- und Tonaufnahmen von den Beamten während ihrer Maßnahmen, werden übertragen. Dabei werden die Polizeibeamten häufig verunglimpft und vorgeführt. Den Beamten wird vorgehalten, sie würden sich durch ihre Kontrollmaßnahmen rechtswidrig verhalten und müssten mit Anzeigen rechnen. Diese würden dann später stets wieder eingestellt. Die Autorität der Beamten wird durch die Redner regelmäßig untergraben. Junge Beamten werden aufgefordert sich den Anordnungen der Ordnungsbehörden und der Polizeiführung zu widersetzen. Dies sei Ihre "Pflicht" und Ihr "Widerstandsrecht".

Mantra-artig werden Sprüche wie "Friede, Freiheit, keine Diktatur" oder an die Polizisten gerichtet "Schließt Euch an" skandiert. Es mutet wie eine Art "Gehirnwäsche" an, mit der den Zuhörern eingetrichtert wird, dass die Corona-Gegner eine "Friedensbewegung" seien, deren Aufgabe es ist, die "korrupte Regierung" zu beseitigen. Ähnlichkeiten mit der Pegida-Bewegung sind zu ziehen, die ebenfalls die Beseitigung der demokratisches Ordnung zum Ziel hatte. Auch dort wurde vordergründig ein Thema aufgegriffen, das weite Teile der Bevölkerung beschäftigte. Damals war es die Flüchtlingsbewegung. Wegen der Corona-Pandemie sind aber größere Teile der Bevölkerung mit Sorgen betroffen und daher empfänglicher, als durch das Flüchtlingsthema. Und die Pegida-Bewegung blieb im Wesentlichen an wenigen Städten verortet, die "Querdenken"-Bewegung versucht sich mit Vehemenz in der Fläche auszubreiten.

Ich würde mir deutlich mehr Aufklärung in der Bevölkerung zu den Zielen und Methoden der "Querdenken"-Bewegung wünschen. Geschickt baut diese Bewegung in unterschiedlichen Kanälen eine Gegenöffentlichkeit auf, die meiner Einschätzung nach immer mehr Aufmerksamkeit erfährt. In dieser Infoblase wird das Narrativ der Bewegung verbreitet, kritisches Hinterfragen kommt dabei nicht vor. Die aktuell von Ministerpräsident Söder gemachte Aussage, die "Querdenken"-Bewegung müsse vom Verfassungsschutz beobachtet werden, begrüße ich daher sehr.

Ich möchte Sie bitten, die von mir vorgetragenen Sorgen ernst zu nehmen und sich für eine verstärkte Aufklärung der Bevölkerung einzusetzen. Bitte treten auch Sie persönlich öffentlich gegen diese Bewegung an!

Mit freundlichen Grüßen

 

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